Verteidigung-Strafrecht


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Verteidigung Strafrecht
Verteidigung Strafrecht
  • Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe bzw. Nötigung und Vergewaltigung können JEDEN treffen
  • Zu oft werden Anschuldigungen nicht ernst genommen
    (weil man sich z.B. keiner Schuld bewusst ist oder die angebliche Tat lange zurückliegt)
  • Ein strafbarer Übergriff kann bereits ohne jegliche Gewalt oder Nötigung vorliegen
    (selbst Vergewaltigung setzt rechtlich gesehen keine Gewalt voraus)
  • Auch ohne „Nein“ kann das Verhalten strafbar sein, da es ausschließlich auf den
    (nicht selten auch ambivalenten oder nicht klar geäußerten) Willen des Gegenübers ankommen soll
  • Trotz meist dünner Beweislage (Aussage gegen Aussage) und häufigen Falschbeschuldigungen drohen bei Sex gegen einen behaupteten entgegenstehenden Willen mehrjährige Freiheitsstrafen (ohne Bewährung)
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Vorwurf unzutreffend

objektive, subjektive oder irrtümliche Falschbelastung

Was Viele nicht wissen: Bei der überwiegenden Zahl der angezeigten Vergewaltigungsfälle handelt es sich sehr häufig um Vorwürfe, die nicht der Wirklichkeit entsprechen, sei es weil sie falsch erinnert, eingeredet oder gar absichtlich vorgetäuscht werden. In einer Vielzahl von Fällen sind es auch schlicht gegenseitige Missverständnisse (gerade im Zusammenhang mit Alkohol) oder mangelnde Kommunikation die dazu führen, dass die Schätzungen von im Sexualstrafrecht tätigen Polizeibeamten und Juristen bei 25% bis zu 75% falschen Anzeigen liegen!

Nicht zuletzt aufgrund übertriebener gesellschafts-politischer Erwartungen ist der auf den Staatsanwaltschaften und Gerichten lastende „Verurteilungsdruck“ bei  Sexualdelikten extrem hoch und führt mittlerweile zu einer regelrechten Flut an Ermittlungen und Anklagen.

Vorwurf zutreffend

Strafmilderung durch opferschonendes Verhalten

Die Strafen für Sexualdelikte sind hart und haben fast immer langjährige Eintragungen ins Führungszeugnis zur Folge.

Bei nicht einvernehmlichem Geschlechtsverkehr (Vergewaltigung) sieht das Gesetz eine Mindeststrafe von 2 Jahren Haft vor, eine Bewährungsstrafe ist in diesen Fällen nahezu ausschließlich bei einem Geständnis und einer Einigung mit dem Opfer möglich.

Die Übernahme von Verantwortung eigenen sexuellen Fehlverhaltens wird dem Täter von den Gerichten regelmäßig hoch angerechnet und kann zu einer ganz erheblichen Strafmilderung führen. Eine frühe Verständigung (Deal) mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht kann ein langes und belastendes Verfahren für alle Beteiligten deutlich abkürzen und in vielen Fällen eine Haftstrafe abwenden!

Fast immer steht es Aussage gegen Aussage

Tatzeugen gibt es bei Vergewaltigungsvorwürfen selten und meist auch keine Sachbeweise, entweder weil sich das mutmaßliche Opfer erst lange Zeit nach der angegebenen Tat meldet und damit Spuren schlicht nicht mehr vorhanden sind. Oder aber vorhandene Spuren lassen sich mit beiden Versionen in Einklang bringen, weil der Tatverdächtige behauptet, dass der sexuelle Kontakt einvernehmlich stattgefunden hat.
Man könnte also meinen, mit der bloßen Aussage gegen Aussage läge eine „Patt-Situation“ vor, wem soll man schließlich glauben. Einzig logische Konsequenz sollte eigentlich eine Verfahrenseinstellung oder Freispruch sein – schließlich fehlt das Maß an Sicherheit einen Schuldspruch fällen zu können.

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Leider ist es Gerichten hierzulande aber nicht vorgeschrieben, unter welchen Voraussetzungen eine Tatsache für bewiesen oder nicht bewiesen gilt. Der Richter ist in der Beweiswürdigung und damit auch in der Bewertung von Aussagen völlig frei und muss selbst bei mehreren möglichen Schlussfolgerungen nicht die dem Angeklagten günstigste wählen.
Der Richter kann also aufgrund einer zweifelhaften Zeugenaussage verurteilen,
obwohl Anschuldigungen gerade bei Sexualdelikten oftmals falsch sind. Dabei geht es nicht nur um bewusste Falschaussagen aus Motiven wie Rache, Eifersucht, Selbstschutz oder schlicht bösen Absichten, in sehr vielen Fällen sind Pseudoerinnerungen, Beeinflussung, psychische Erkrankung und Autosuggestion die Ursache für falsche Anschuldigungen.

Aber nur, weil eine Auskunftsperson behauptet, Opfer einer Straftat zu sein, darf ein Gericht den Bekundungen dieser Person, die ja quasi eine Parteirolle (vor allem in der Funktion der Nebenklage) einnimmt, nicht höheres Gewicht beimessen als den bestreitenden Angaben des Angeklagten.
Vielmehr verlangt der Bundesgerichtshof aus guten Grund, dass die Aussage des Zeugen einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung unterzogen wird, zumal der Angeklagte in solchen Fällen wenig Verteidigungsmöglichkeiten besitzt.

Erforderlich sind u.a.:

  • Analyse der Aussagepersönlichkeit (Beurteilung der Fähigkeit eine zuverlässige Aussage zu machen)
  • Prüfung der Entstehungsgeschichte der Aussage
  • Untersuchung möglicher Motive für die Aussage
  • Analyse der Aussagequalität (inhaltliche Übereinstimmung der Aussagen, Detailliertheit, Plausibilität der Angaben, Anschaulichkeit und Strukturiertheit der Angaben)
  • Lückenlose Gesamtwürdigung aller Indizien (dazu gehören auch außerhalb der Zeugenaussage liegende Indizien, wie z. B. Ereignisse und Umstände nach der Tat)

Vor allem Gerichtsurteile die sich nicht an diese von der höchstrichterlichen Rechtsprechung verlangten Vorgaben halten sind angreifbar. Die Erfahrung zeigt, dass sich dabei sogar wenige Richter an diesen strengen Prüfungsmaßstab bei der Würdigung des Wahrheitsgehalts von Aussagen halten – vorausgesetzt sie kennen ihn überhaupt. Denn in der Juristenausbildung werden bislang leider keinerlei Kenntnisse um die Beurteilung von Glaubwürdigkeit von Zeugen und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen sowie der richtigen Vernehmungsmethoden vermittelt. Daher wird bei der Beurteilung von „Aussage gegen Aussage“-Konstellationen sehr Vieles falsch gemacht.

Sachfremde Beurteilungskriterien:
Häufig werden sachfremde Erwägungen in die Beweiswürdigung mit eingestellt, z.B. dass das mutmaßliche Opfer bei seiner Aussage geweint oder gezittert habe und damit den Eindruck besonderer Glaubhaftigkeit unterstreiche – dabei sind körperliche Symptome oder Verhaltensauffälligkeiten wie Weinen, Zittern, Nervosität o.Ä. nach einhelliger wissenschaftlicher Forschung keinerlei Beweiswert oder Indiz für die richterliche Meinungsbildung.

Fehleinschätzung der eigenen Sachkunde:
Selbst wenn sich Gerichte an den strengen Vorgabenkatalog der Aussagepsychologie halten, sind Schlussfolgerungen hierzu vielfach falsch – und damit auch die Beweiswürdigung.
Die Ursachen für solche Fehler beruhen auf mangelndem Verständnis für die komplexe Materie oder schlicht auf deren falscher Anwendung. Denn mangels Fachwissen aus der Gedächtnispsychologie, der Wahrnehmungspsychologie, der Sozialpsychologie, der Persönlichkeitspsychologie und der forensischen Psychologie sollen Juristen Entscheidungen über Konstellationen treffen, in welchen eigentlich ein Studium der Psychologie und entsprechendes Fachwissen vorauszusetzen wäre.
Gleichwohl liest man in Gerichtsurteilen oft, dass „aus aussagepsychologischer Sicht“ dieser oder jener Schluss zu ziehen sei. Mangels entsprechender Ausbildung in der aussagepsychologischen Methodik sind solcherlei Aussagen – trotz aller echter oder vermeintlicher Sachkunde, die sich ein Gericht selbst bescheinigen darf – angreifbar, da ein Richter nun mal kein Aussagepsychologe ist. Einen Richter der aufgrund seiner juristischen Ausbildung eine Herz-OP selbst vornimmt, würde auch keiner ernst nehmen.

Kein Einholen eines Glaubhaftigkeitsgutachtens:
In der Gerichtspraxis werden leider nur in Ausnahmefällen aussagepsychologische Gutachten zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen eingeholt, obwohl ca. 60 % aller Glaubhaftigkeitsgutachten zu dem Ergebnis kommen, dass eine Falschaussage nicht ausgeschlossen werden kann!
Dabei ist die sehr häufig von Gerichten bescheinigte „eigene Sachkunde“ um die Hinzuziehung eines Aussagepsychologen zu vermeiden ist oftmals angreifbar:
Das Gericht muss spätestens dann, wenn ein Zeuge Probleme bei der Wahrnehmung, Speicherung oder Rekonstruktion seiner Aussage haben könnte, einen Sachverständigen hinzuziehen, da nur mit aussagepsychologische Hilfe solche Problemlagen erkannt und beurteilt werden können. Kleinste Indizien z.B. aufgrund psychischer Probleme des Zeugen oder weil suggestive Einflüsse im Rahmen einer Therapie nicht auszuschließen sind oder schlicht, weil der Zeuge zum fraglichen Zeitpunkt Alkohol konsumiert hatte, bedürfen dann sachverständiger Beurteilung – fehlt es hieran, ist das Urteil angreifbar.

Fehlerhafte Begründung der eigenen Sachkunde:
Bei der Begründung der „eigenen Sachkunde“ des Gerichts (vgl. oben) werden darüber hinaus regelmäßig schwere Fehler gemacht:
Die Frage ob ein Gericht im Stande ist einer den wissenschaftlichen Anforderungen genügende Aussagenanalyse zu leisten, muss insbesondere für alle Mitglieder des Gerichts gelten, gerade auch für die Schöffen.
Voraussetzung für jede Beratung und Entscheidung eines Gerichts ist, dass alle zur Entscheidung berufenen Mitglieder ausreichende Kenntnis des Streitstoffs haben. Denn bei der Rechtsfindung liegt die Verantwortung bei allen Mitgliedern des Gerichts. Insoweit sind Beschlüsse in denen nur die Berufsrichter ausreichende Sachkunde besitzen fehlerhaft.
Deshalb muss also genau dargelegt werden inwieweit alle Mitglieder des Gerichts die erforderliche Sachkunde besitzen – auch und vor allem in Hinblick auf die Analyse der Qualität einer Aussage oder die schwierige Frage deren Validität. Da Schöffen keine vollständige Aktenkenntnis und in den seltensten Fällen ausreichendes Methodenwissen haben, ist das Attestieren eigener Sachkunde für alle Gerichtsmitglieder praktisch überhaupt nicht möglich.

Unterlassene Überprüfung der Aussagefähigkeit:
In sehr vielen Fällen stürzen sich Gerichte vorschnell auf die in der Aussagepsychologie entwickelten Kriterien der Glaubhaftigkeitsprüfung, etwa auf Detailreichtum und Widerspruchsfreiheit einer Aussage, ohne überhaupt auf die Aussagefähigkeit eines Belastungszeugen näher einzugehen. Dabei muss ein Gericht zunächst zwingend prüfen, ob der Zeuge überhaupt die Fähigkeit hat,

1. das fragliche Tatgeschehen realitätsgerecht wahrzunehmen,
2. zu dieser Wahrnehmung eine entsprechende Erinnerung zu bilden
3. sich gegenüber Suggestiveinflüssen abgrenzen zu können
4. Erlebtes von Phantasie und Traum unterscheiden zu können
5. und das im Gedächtnis gespeicherte später wieder abzurufen.

Ohnehin sind Zeugenaussagen in einer nicht unerheblichen Zahl – bewusst oder unbewusst – objektiv falsch. Das ist aus gedächtnispsychologischer Sicht fast zwangsläufig so, weil schon die Wahrnehmung von Tatsachen im Erlebniszeitpunkt subjektiv ist, ferner weil bereits die erste Abspeicherung unter Anreicherung mit Assoziationen erfolgt, weiter weil die gespeicherte Information laufend durch neue Eindrucke verändert wird und schließlich, weil der Abruf sowie die Verbalisierung weiteren Verfremdungsvorgängen unterliegen.
Als wäre das alles nicht schon schlimm genug (man halte sich nochmals vor Augen, dass trotz dieser Unzulänglichkeiten der Aussage von Zeugen ein Angeklagter für viele Jahre ins Gefängnis gesperrt werden kann) hat sich innerhalb der letzten Jahre immer wieder herausgestellt, dass beeinträchtigende Umstände in der menschlichen Wahrnehmung dazu führten, dass (Opfer)Zeugen falsche, beschuldigende Aussagen machten:

  • Keine oder verminderte Aussagetüchtigkeit bei Alkoholkonsum
    Insbesondere dann, wenn das mutmaßliche Tatopfer zur Zeit der vermeintlichen Tat-Begehung unter dem Einfluss berauschender oder betäubender Mittel (Alkohol?!) gestanden hat, wird das die Aussagetüchtigkeit erheblich nachteilig beeinflussen, denn Ereignisse, die sich in diesem Zustand ereignet haben, sind später nicht mehr (korrekt) abrufbar, da die normale Speicherung von Inhalten im Langzeitspeicher des Gehirns verhindert wird.
  • Keine oder verminderte Aussagetüchtigkeit in Folge einer Therapie
    Ein weiterer Punkt der oft übersehen wird ist, dass sich Auskunftspersonen, die vortragen, sexuell missbraucht oder belästigt worden zu sein, häufig in Therapie begeben. Hierbei besteht allerdings die hohe Gefahr, dass sich Erinnerungsinhalte mit den therapeutischen Maßnahmen vermischen. Gerade innerhalb der Therapie sind Patienten für Suggestionen besonders anfällig. Der Therapeut bringt den Angaben des Patienten ein uneingeschränktes Vertrauen entgegen, deren Wahrannahme ja Teil der therapeutischen Arbeit ist. Umgekehrt will der Patient darauf vertrauen können, dass der Therapeut die Angaben nicht kritisch hinterfragt oder gar ganz infrage gestellt. In diesem Gefüge von rational und emotional verquickter Kommunikation ist es für den Patienten kaum mehr möglich, die Quellen seiner Erinnerung zu unterscheiden.
  • Keine oder verminderte Aussagetüchtigkeit bei posttraumatischer Belastungsstörung
    Noch seltener findet das Problem der posttraumatischen Belastungsstörung in Gerichtsurteilen Beachtung. Durch selektive Unaufmerksamkeit während der traumatischen Erfahrung können fehlerhafte Erinnerungen oder Verfälschungen entstehen mit nachfolgendem Verlust konkreter Detailerinnerungen. Dabei neigen Menschen leicht dazu, sich an ein Trauma als schlimmer zu erinnern als es ihnen tatsächlich widerfahren ist. Nach einer traumatischen Erfahrung können sowohl durch bewusste als auch durch unbewusste Erinnerungen neue Details hervorgebracht werden, die sich im Laufe der Zeit dann in die Erinnerung der Person an das fragliche Ereignis manifestieren und damit die Aussagefähigkeit nachteilig beeinflussen.
  • Keine oder verminderte Aussagetüchtigkeit aufgrund von Beeinflussungen der Aussage (Auto- und Fremdsuggestion)
    Ein gravierender Fehler stellt die Nichtbeachtung suggestiver und / oder autosuggestiver Einflüsse dar. Damit ist gemeint, dass ein Zeuge nicht über die eigene Wahrnehmung berichtet, sondern fremde oder selbst erdachte Wahrnehmungen übernommen oder nachgeahmt werden.

In einer Vielzahl von empirischen Studien wurde erforscht, durch welche Faktoren und Bedingungen, z. B. durch welche (Befragungs-)Techniken, solche suggestive Einflüsse bei Personen ausgelöst werden und sich verfälschend auf Gedächtnisinhalte auswirken:
1. selektive Wahrnehmung des Ereignisses, Vergessen etc.
2. bewusstes Selbsteinreden,
3. unbewusste eigene Einflüsse, denen die befragte Person unterliegt,
4. unbewusste Einflüsse von außen (durch nachträgliche Informationen, Befragungen etc..)

Viele Juristen wissen mit diesen Phänomenen aus der Aussagepsychologie allerdings wenig anzufangen oder tun sie als parapsychologischen Quatsch ab. Dabei gibt es eine Vielzahl an wissenschaftlichen Experimenten, die das Problem rund um die Suggestion beweisen:
So wurden beispielsweise Probanden nach Details gefragt, die auch Gegenstand von nachträglichen Informationen waren, indem Testpersonen zunächst einen Film über einen Verkehrsunfall dargeboten bekamen und im Anschluss daran in mehrere Gruppen eingeteilt wurden. Eine Gruppe der Probanden wurde danach gefragt, wie schnell die Autos wohl fuhren, als sie zusammenstießen. Bei den weiteren Gruppen benutzte man alternativ die Formulierungsnuancen „als sie aufeinander trafen“, ,,…. als sie kollidierten“ und ,,…. als sie zusammenkrachten“. Nach einer Woche schloss sich die Frage an, ob die Testpersonen zerbrochenes Glas gesehen hätten, obwohl es im Film kein zerbrochenes Glas oder Hinweise darauf gab. Beeinflusst durch die unterschiedliche Wortwahl wurde jeweils eine unterschiedliche Stärke der Kollision unterstellt und in den Erinnerungsbericht ein weiteres Detail (zerbrochenes Glas) implementiert. Im Ergebnis berichteten immerhin 16% derjenigen Versuchspersonen, bei denen das Wort „Zusammenkrachen“ in der Frageformulierung eingekleidet war, zerbrochenes Glas gesehen zu haben. Dies war bei der Vergleichsgruppe „zusammenstoßen“ nur bei 7% der Befragten der Fall.
Das Experiment konnte zeigen, dass – lediglich von Plausibilitätsgesichtspunkten geleitet – ein nicht unwesentlicher Teil der Probanden im Nachhinein nichtreale Elemente in ihren Erinnerungsbericht einfügte und nachträgliche spezifische Informationen eine starke suggestive Wirkung entfalten, die den Erinnerungsbericht einer Person stark verfälschen. In Extremfällen werden ebenso fiktive Elemente in die Aussage implementiert oder es erfolgen Schilderungen über ganze Ereignisse, die überhaupt nicht stattgefunden haben.

Klassisches Beispiel für das Einfügen niemals stattgefundener Geschehnisse ist folgender, wahrer Fall aus Berlin:
In einem vollen Hörsaal, in dem in wenigen Minuten die Vorlesung beginnen wird, wird es auf einmal laut am Rednerpult. Zwei Männer schreien sich an, immer wütender. Der eine droht dem anderen eine Ohrfeige an. In diesem Moment kommt der Professor herein und ruft den Studenten zu: »Schreiben Sie alle sofort auf, was sich hier gerade ereignet hat.« Den Vorfall hatte der Professor inszeniert.
Von den vielen Hundert Studenten schrieben nicht wenige, sie hätten »gesehen«, dass einer den anderen tatsächlich geohrfeigt habe, der dann, so beschrieben es einige, eine Pistole zog und, so schrieben manche, einen Schuss abgab, der das Opfer zu Boden sinken ließ. Dabei war die Sache ja erst vor wenigen Augenblicken geschehen, und die Zeugen waren angehende Juristen…
Ihnen wollte der Professor beweisen, was sie sonst wohl nicht geglaubt hätten: dass man nämlich fest überzeugt sein kann, etwas gesehen zu haben, das sich nicht ereignet hat – Oder wie es der renommierte Strafrechtswissenschaftler Klaus Volk sagt: „Das Gehirn schreibt die Story – nicht das Auge.“ Dabei geben experimentelle Studien sowie Beispiele aus der gutachterlichen Praxis zu Missbrauchsfällen Hinweise darauf, dass gerade bei Vorliegen der Kombination verschiedener suggestiver Einwirkungen eine Veränderung der Aussage noch wahrscheinlich macht.

Vor allem Betreuungssituationen von Opferbeiständen, Psychotherapeuten aber auch Vernehmungspersonen bergen die Gefahr, dass das Aussageverhalten des Zeugen im Rahmen der Gerichtsverhandlung materialreicher ausgestaltet wird, zumal zwischen der unmittelbaren Wahrnehmung des (streitigen) Sachverhaltes und der Zeugenvernehmung vor Gericht ein nicht unerheblicher Zeitraum liegt, der je größer er ist, desto wahrscheinlicher dazu führt, dass die verbliebene Erinnerung mit dem wahrgenommenen Ursprungsereignis nicht mehr deckungsgleich ist. Unterlässt es daher ein Gericht vorgetragene Bedenken einer möglichen Suggestion zu würdigen, ist das Urteil angreifbar.

Fehler bei der Überprüfung der Qualität der Aussage:
Das eigentliche Kernstück der Glaubhaftigkeitsüberprüfung ist die sog. merkmalsorientierte Inhaltsanalyse. Sie basiert auf der These, dass ein Zeuge, der sich an tatsächlich Erlebtes erinnert, nur auf vorhandene Inhalte seines Gedächtnisses zurückgreifen muss. Ein falschaussagender Zeuge muss seine Aussage auf der Basis seines Alltagswissens oder seiner Vorstellungen über das behauptete Delikt konstruieren. Daraus folgt, dass es Falschaussagenden schwerer fallen dürfte, eine qualitativ hochwertige Aussage zu machen, zumal man stets bemüht sein muss, einen möglichst glaubwürdigen Eindruck zu hinterlassen.
Eine realitätsbasierende Aussage wird – so zumindest die These der Aussagepsychologen – u.a. schlüssig, sehr detailreich und eher unstrukturiert sein. Und auch nebensächliche Schilderungen sind kein Problem für den wahr Aussagenden (denn wer sich an tatsächlich Erlebtes erinnert, braucht keinen roten Faden und merkt sich auch vermeintlich Unwichtiges). Wahr Aussagende sind auch nicht darauf bedacht zu „beweisen“ dass ihre Geschichte wahr ist, weshalb Erinnerungslücken eingestanden werden oder auch spontane Verbesserungen der Aussage vorkommen. Auch Selbstbelastungen sollen für den Wahrheitsgehalt sprechen, denn ein falsch Aussagender will überzeugen und keine Zweifel an seiner Geschichte aufkommen lassen.
Diese sog. Qualitätsmerkmale werden in der Aussage gesucht und bewertet. Ist die Aussage von entsprechend „hoher Qualität“ wird man zu der Überzeugung gelangen, dass die Aussage erlebnisbasiert also „wahr“ ist, andernfalls wird man diese These verwerfen.
Die Überprüfung anhand der merkmalsorientierten Inhaltsanalyse einer Aussage ist aber nicht einfach. Schon gar nicht dürfen die Qualitätskriterien schematisch angewendet werden. Denn selbstredend weisen manche Merkmale stärkere Ergebniskraft auf, als andere. Auch die Häufigkeit einzeln vorkommender Merkmale spielen bei der Bewertung eine Rolle.
Dennoch ist in der Gerichtspraxis häufig zu beobachten, dass Qualitätsmerkmale katalogartig abgearbeitet werden, ohne dabei auf die wichtige Bewertung der einzelnen Kriterien und am Ende in einer nochmaligen Gesamtschau einzugehen. Auch unterliegen Gerichte dem häufigen Fehler vorschnell einzelnen aussagepsychologischen Merkmalen eine Qualität beizumessen, die sie aufgrund alternativer Erklärungen aber gar nicht haben. Werden etwa genaue Details des als nicht einvernehmlich behaupteten Geschlechtsverkehrs geschildert, haben diese gerade dann keinen Qualitätsfaktor, wenn solche Details auch bei dem vom Angeschuldigten einvernehmlich stattgefundenen Verkehr zu erwarten wären.

Fehler durch Unterlassen eines sog. Qualitäts-Kompetenz-Vergleichs:
Eh man zu dem Ergebnis einer erlebnisbasierten Aussage kommen kann, muss abschließend geprüft werden, ob der Aussagende in der Lage war, das Ausgesagte auch ohne Erlebnisgrundlage zu produzieren, also zu erfinden. Denn es leuchtet ein, dass wenn der Zeuge z.B. selbst Aussagepsychologe wäre, er mit seinem Wissen durchaus in der Lage sein wird, auch eine falsche Aussage als „wahr“ zu verkaufen.
Insoweit müssen tunlichst auch alle individuellen Leistungsmerkmale des Aussagenden berücksichtigt werden, insbesondre auch seine sog. Erfindungs-Kompetenzen. Gerade die Analyse der Gedächtnisleistung und Erinnerungsbesonderheiten aber auch Wissen und Vorerfahrung, Komplexität des fraglichen Ereignisses, Zeitraum zwischen fraglichem Ereignis und Befragung haben hierbei großes Gewicht. Ebenso die Ergebnisse einer ausführlichen Sexualanamnese (bei Sexualdelikten) und anderer personaler Besonderheiten.
Leider unterlassen viele Gerichte die Exploration solcher Schilderungskompetenzen was zwangsläufig zur Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung führt.

Fehler aufgrund schematischer Anwendung der aussagepsychologischen Prüfung:
Die Anwendung der aussagepsychologischen Überprüfung darf sich nicht als eine Art Kopie eines anderen aussagepsychologischen Gutachtens darstellen. Insbesondere verbietet sich – wie oben gezeigt – jede schematische Anwendung. Der Richter muss sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinandergesetzt haben.
Eine Beweiswürdigung, die z.B. über alternative Hypothesen ohne Erörterung hinweggeht oder solche gar nicht erst erkennt, ist ebenso rechtsfehlerhaft wie wenn gewichtige Umstände nicht mit in Betracht gezogen werden.
Rechtsfehlerhaft ist daher, wenn naheliegende Gesichtspunkte, die zu einem für den Angeklagten günstigerem Ergebnis führen könnten, bei der Konstellation Aussage gegen Aussage nicht in Betracht gezogen werden, so z.B. wenn ein Zeuge in Bezug auf ein wenig vergessensanfälliges Erleben „Erinnerungslücken“ behauptet. Ein Urteil das diesen Mangel in der Zeugenaussage damit begründet, eine falsche Anschuldigung erhebender Zeuge werde häufig darauf bedacht sein, seine Geschichte von Schwächen freizuhalten, so dass Erinnerungslücken ein Merkmal besonderer Glaubhaftigkeit seien, so kann dies nur für Erinnerungslücken gelten, die mit allgemeinen Gedächtnisgesetzmäßigkeiten erklärbar sind nicht aber für das „Vergessen“ wesentlicher Details.
Kommt es beim Zeugen zu Inkonstanzen in seiner Aussage, stellt dies gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung einen Hinweis auf mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar, wenn sie nicht mehr mit natürlichen Gedächtnisunsicherheiten erklärt werden können. So ist bei der Schilderung von körpernahen Ereignissen z.B. bei einer Vergewaltigung zu erwarten, dass Zeugen markante Körperpositionen auch über längere Intervalle in Erinnerung behalten. Ebenso, wie etwa die Kleidung ausgezogen oder welche sexuellen Handlungen im Einzelnen vorgenommen wurden.
Wurde daher z.B. durch Staatsanwaltschaft oder Gericht einem Opferzeugen Akteneinsicht gewährt ist das Gericht verpflichtet, die Aussagen des Belastungszeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen, weil ein Zeuge aufgrund der Aktenkenntnis seine Aussage präparieren und auf die inhaltliche Konstanz der Aussage wesentliche Auswirkung haben kann!

Zusammenfassung

Erschreckender Weise kann ein Gericht jemanden entgegen jeder menschlichen Vernunft aufgrund der bloßen Aussage eines anderen verurteilen, ohne dass es hierzu weiterer, vor allem objektiver Sachbeweise bedürfte.
Zwar fordert die höchstrichterliche Rechtsprechung genau deshalb hohe formale Hürden, diese bleiben jedoch in der Praxis oft unbeachtet oder werden fehlerhaft angewendet.

Gerade deshalb ist es immanent wichtig einen Anwalt an der Seite zu haben, der sich mit den schwierigen Facetten bewusster oder unbewusster Falschbeschuldigung, insbesondere der Aussagegenese, der Aussagevalidität und der Aussagequalität bestens auskennt. Denn mit Hilfe entsprechender Beweisanträge lassen sich Fehlerquellen aufdecken, z.B. anhand einer fundierten Prüfung der Aussageentstehung, Widersprüchen, Auslassungen oder Fehler in der chronologischen Schilderung, Inkonstanzen, das Fehlen von Schilderungen zum Kerngeschehen, verdächtige Strukturiertheit sowie defizitäre Interaktionsschilderungen und Komplikationen im Handlungsablauf, Mängel im Detaillierungsgrad und der Anschaulichkeit, auffallender Kongruenzen oder Strukturgleichheit usw..

Freispruch-Verteidigung bei unzutreffenden Vorwürfen

Neben den besonderen Chancen und Risiken der Verteidigung in der Konstellation „Aussage gegen Aussage“ (siehe oben) muss sich die Verteidigungsstrategie bei Falschbeschuldigungen von Anfang an auf die Persönlichkeit und die Motive des (vermeintlichen) Opfers konzentrieren. Eine zentrale Frage lautet: Was war der Auslöser für die Anzeige?

Ein wichtiger Punkt für die erfolgreiche Verteidigung bei unzutreffenden Vorwürfen liegt darin aufzuklären, ob es sich bei der Anzeige um eine planvolle Lüge handelt, ein zwar subjektiv als wahr aber objektiv falsch erinnertes Fehlverhalten, um eine „Notlüge“ aus sozialem Rechtfertigungsdruck oder um das Ergebnis intensiver Beeinflussung. Nicht selten ist es gar eine Kombination aus all diesen Faktoren, fast immer verbunden mit der verhängnisvollen Haltung, dass der Beschuldigte eine Bestrafung „verdient“ habe – letzteres oft auf Grundlage strafloser, aber als Kränkung oder moralisch verwerflich empfundener Ereignisse.

Dabei hat das „Opfer“ (oft in der Rolle der Nebenklage) natürlich – ebenso wie der Angeklagte / Beschuldigte – ein vordergründiges Interesse am Ausgang des Verfahrens und sei es nur, dass man ihm glaubt. Wer selbst betroffen ist, kann kein neutraler Beobachter sein und ist in seiner „Parteirolle“ auch nicht frei von der Motivation zu unter- oder zu übertreiben, etwas wegzulassen, etwas Falsches zu ergänzen oder gar dreist zu lügen.

Vorwurf frei erfunden

Bei der „klassischen“ Falschbeschuldigung ist der gesamte Vorwurf sexuellen Fehlverhaltens frei erfunden. Im Extremfall kennt der Beschuldigte das vermeintliche Opfer überhaupt nicht oder nur flüchtig, jedenfalls aber ist es nie zu den angezeigten sexuellen Vorwürfen  gekommen!

Dennoch können sich solcherlei Vorwürfe als äußerst gefährlich erweisen, insbesondere wenn das angebliche Opfer kein erkennbares Motiv für eine Falschbeschuldigung zu haben scheint! Entlastendes für den Beschuldigten wird seitens der Strafverfolgungsbehörden fast nie ermittelt, hier folgt man leider oft dem „Totschlagargument“: „Warum sollte ein Opfer sich so etwas ausdenken?

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Dabei sind Falschbeschuldigungen dieser Art nicht selten. Die Gründe hierfür liegen oftmals in dem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit bis hin zu psychischen Krankheiten wie Borderline, ADHS, Schizophrenie oder narzisstischen Persönlichkeitsstörungen;
aber auch Motive wie Rache, Eifersucht, Karriere (angebliche Belästigung durch Kollegen) oder das Ablenken von eigenem Fehlverhalten (Alkohol- und Drogenkonsum, Schulschwänzen, schlechte Arbeitsleistungen etc.).

Hinzukommt, dass man sich selbst noch nciht einmal in der Lage sieht, sich gegen solche haltlosen Vorwürfe adäquat zu verteidigen, schließlich kann man schlecht etwas inhaltlich überzeugend bestreiten, was überhaupt nicht passiert ist.
Da solcherlei Tatvorwürfe zudem häufig zeitversetzt angezeigt – manchmal sogar Jahre später – oder nur sehr vage zeitlich konkretisiert werden („ein warmer Abend letzten Mai“), wird es auch meist an einem überprüfbaren Alibi fehlen, gleiches gilt für den Gegenbeweis anhand fehlender Tatspuren.

Besonders problematisch: Wer um seine eigene Unschuld weiß, unterschätzt das gefährliche soziale und juristische Vernichtungspotential erhobener sexueller Vorwürfe um so mehr, weil er (oft zu lange) auf die vermeintliche Objektivität von Polizei und Justiz vertraut. Dabei genügt der Staatsanwaltschaft im Regelfall Zweifel an der Unschuld des Beschuldigten, um gegen ihn gerichtliche Anklage zu erheben!

Egal, ob es sich bei den falschen Vorwürfen um eine planvolle, intelligente Falschbeschuldigung handelt oder ob das vermeintliche Opfer aufgrund eines psychischen Defekts selbst fest von der angeblichen Tat überzeugt ist: Derartige Falschaussagen erweisen sich mittlerweile als brandgefährlich! Denn ausgerechnet die Kennzeichen, die Juristen als besonders glaubhaft für eine Zeuegnaussage des Opfers halten (Selbstbelastungen, phänomenengemäße Schilderungen wie Waschen nach der Tat, Angst vor der Aussage oder gar Gedächtnislücken aufgrund der „Traumatisierung), sind seit Jahren selbst Schulkindern aus den Medien bekannt oder lassen sich einfach recherchieren! Ein falsches Opfer ist durch keine echte Tat belastet und unterliegt daher nicht wirklich den Ängsten und Aussageprobleme, welche reale Geschädigte durchmachen – kann dies aber möglicherweise durch gute Vorbereitung sehr gut vorspielen. Dabei bieten manche psychologische oder soziale Hilfseinrichtungen verhängnisvollerweise in fehlgeleiteter Fürsorge solchen falschen Opfern sogar noch Zugang zu Informationen und Gesprächsstrategien, um als besonders glaubhaft und vermeintlich „traumatisiert“ auftreten und hierdurch gegebenenfalls kritische Fragen effektiv abblocken zu können!

Mit anderen Worten: Es ist mittlerweile ein Leichtes jemanden bewusst wahrheitswidrig eines Sexualdeliktes zu bezichtigen. Gerade wer nie wirklichen Kontakt zum angeblichen Opfer hatte, dessen Verteidigungsmöglichkeiten sind mangels „Unschuldsbeweis“ absurderweise besonders stark eingeschränkt!

Von Anfang an muss darauf hingewiesen werden, dass die Unschuldsvermutung auch bei Sexualdelikten gilt und der Beschuldigte seine Unschuld nicht beweisen muss! Oft werden vermeintlich belastende Spuren (z.B. Spermaspuren, Epitelzellen des männlichen Genitals oder Fissuren der Geschlechtsorgane) von der Staatsanwaltschaft als zusätzlicher Beleg für den Wahrheitsgehalt der belastenden Aussage herangezogen. Hier muss die Verteidigung klarstellen, dass derartige Spuren objektiv in den allermeisten Fällen überhaupt kein Beweis für Zwang, Gewalt oder entgegenstehenden Willen sind; vielmehr lassen sich diese fast immer auch mit einvernehmlichem sexuellem Kontakt erklären. Aber Vorsicht: Da Vergewaltigung juristisch betrachtet keine Gewalt voraussetzt, sind fehlende Verletzungen auch kein Beweis für einvernehmlichen Sex! Als Beschuldigter sollte man daher keine Aussage ohne vorherige anwaltliche Beratung machen; selbst die spontane Äußerung, der Sex sei doch einvernehmlich gewesen, kann und wird bereits von der Staatsanwaltschaft als Beweis gegen den Beschuldigten verwendet werden: Schließlich hat er ja zugegeben, mit dem „Opfer“ Geschlechtsverkehr gehabt zu haben.

Steht ein Missverständnis oder Irrtum in Hinblick auf eine belastende Zeugenaussage im Raum, kann dies in den seltensten Fällen ohne Weiteres aus der Welt geschafft werden. Die meisten vermeintlichen Opfer erhalten von ihrem privaten Umfeld und ihren sonstigen Beistandspersonen eine Menge (in diesem Fall fehlgeleitete) Bestätigung in Hinblick auf die Annahme der eigenen Opferrolle, was in einer (eigentlich unnötigen) feindseligen Haltung gegen den Beschuldigten und dessen Verteidigung resultiert. Hier ist Empathie und eine von Erfahrung getragene, zielgerichtete Befragungsstrategie notwendig, um das Missverständnis erfolgreich aufdecken und den Beschuldigten entlasten zu können.

Neben den Missverständnissen der häufigere Fall sind ganz oder zumindest teilweise unbewusste Falschbeschuldigungen. Insbesondere durch Therapien, Vernehmungen, Akteneinsicht, Medienberichte, aber vor allem auch durch aktives Einreden von Dritten oder gar selbst eingeredete „Fakten“ implementieren Zeugen regelmäßig Ereignisse in ihre Erinnerungen, von sie fest überzeugt sind, obwohl das fragliche „Erlebnis“ so nie stattgefunden hat!
Leider wird die massive Gefahr derartiger suggestiver Einflüsse bei psychologischen Laien (und damit auch bei Polizisten, Staatsanwälten und Richtern!) häufig nicht wahr- bzw. ernstgenommen. Es ist aber wissenschaftlich nachgewiesen, dass aufgrund suggestiver Faktoren und Bedingungen, z. B. (Befragungs-)Techniken, regelmäßig entsprechende falsche „Erlebnisse“ bzw. Erinnerungen ausgelöst werden können. Oft werden bei fehlerhaften Befragungen durch die Vernehmungsperson indirekte Vorgaben gemacht, indem z.B. zu Spekulationen und Imaginationen des fraglichen Geschehensablaufs aufgefordert, bereits beantwortete Fragen wiederholt oder „erwünschte“ Antworten verstärkt erfragt werden.

Wichtig bei der Verteidigungsstrategie ist, dass im Falle eines Missverständnisses oder einer unbewussten Falschaussage sich die Belastungszeugen vollständig „im Recht“ sehen und oft auch Symptome und Verhaltensweisen realer Opfer aufweisen. Unbewusste Falschaussagen sind sogar gerade deswegen so gefährlich, weil die Aussageperson sich der objektiven Unwahrheit seiner Schilderung gar nicht bewusst ist; sie wirkt im Gegenteil oft besonders glaubhaft und authentisch! Hier muss die Verteidigung jede Schwäche im Aussageverhalten genau analysieren und durch eine gekonnte Befragungstechnik darauf hinwirken, auch im Gericht die Zweifel zu erwecken, die objektiv geboten sind.

Kann dagegen sowohl ein Missverständnis als auch eine unbewusste Falschaussage ausgeschlossen werden, liegt eine absichtliche Falschaussage und damit auch eine strafbare Falschbeschuldigung vor. Ein falsches Opfer ist durch keine echte Tat belastet und unterliegt daher nicht wirklich den Ängsten und Aussageprobleme, welche reale oder zumindest sich dafür haltende Geschädigte durchmachen – kann dies aber möglicherweise durch gute Vorbereitung sehr gut vorspielen. Dabei bieten manche psychologische oder soziale Hilfseinrichtungen unglücklicherweise in fehlgeleiteter Fürsorge falschen Opfern Zugang zu Informationen und Gesprächsstrategien, um glaubhaft als vermeintlich „traumatisiert“ auftreten und hierdurch gegebenenfalls kritische Fragen effektiv abblocken zu können! Hinzu kommt, dass gute Lügner oft zahlreiche reale Elemente als Grundlage ihrer Falschaussage nutzen. Auch können bei der Falschaussage reale negative Gefühle gegen den Beschuldigten (z. B. wegen Fremdgehens, Zurückweisung, grobe Unhöflichkeit oder sonstigem straflosen Verhalten) für eine glaubhafte Darstellung der (emotionalen) Opferrolle genutzt werden.

Kurzum: Die Aufgabe der Verteidigung besteht bei jeder bewussten wie auch unbewussten Falschbeschuldigung darin, sich nicht von einem vermeintlich überzeugendem oder zumindest melodramatischen Zeugenauftritt beeindrucken zu lassen, sondern dafür zu sorgen, dass das Gericht seine Aufmerksamkeit den realen Fakten zuwendet, nicht den Emotionen!

Denn es ist mit keinerlei wissenschaftlicher Erkenntnis belegt, dass ein weinender oder sonst emotional auftretender Zeuge mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit die Wahrheit sagt. Häufig führt aber bereits das Phänomen sog. antizipierten Typisierung dazu, dass „Opferzeugen“ ohne Weiteres von Polizeibeamten, Staatsanwälten und auch Richtern undifferenziert als solche eingeordnet werden. Hinzu kommt der sog. Ankereffekt, der Ermittler und Justiz unbewusst dazu veranlasst, bereits bekannte belastende Informationen stärker zu gewichten als potentiell entlastende Erkenntnisse. Dies Alles wird noch verstärkt durch den sog. Schulterschlusseffekt: Dieser entsteht dadurch, dass der mit dem Gericht meist bekannte und von Gesetzes wegen zur Neutralität verpflichtete Staatsanwalt den Sachverhalt anklagt und die Wertung dessen vorverurteilender Anklage vom Gericht mitunter unkritisch und uneingeschränkt übernommen wird.

Dies führt in der Folge oftmals dazu, dass belastende Aussagen des vermeintlichen Opfers unkritisch und ohne Berücksichtigung der Relevanz in ihrer Gesamtheit für den Tatvorwurf zum Eindruck besonderer „Glaubwürdigkeit“ führen, obwohl ja eigentlich nur derjenige Teil der Aussage wirklich bedeutsam ist, der sich auf strittige Aspekte bezieht – denn nur dieser Teil der Aussage hätte im Falle der Unrichtigkeit vom Zeugen konstruiert werden müssen. Die Konsequenz: Es kommt bei Gericht fast immer zu einer häufigen Überschätzung der inhaltlichen Aussagequalität des „Opferzeugen“, wenn der Rechtsanwalt des Angeklagten dieser Entwicklung nicht durch entschiedene und kritische Nachfragen entgegenwirkt.

Dabei muss die Verteidigung ständig aktiv gegen vorhandene Vorurteile des Gerichts ankämpfen, welche zu einer tatsächlich nicht gebotenen negativen Bewertung des Mandanten führen: Individuelles menschliches Verhalten kann aber eben gerade nicht in allgemeine Erfahrungssätze gefasst werden, und im Zweifel muss auch und gerade bei Sexualdelikten die Unschuldsvermutung gelten.

Ein allein auf den subjektiven Eindruck des jeweiligen Richters bzw. dessen rein intuitive Einschätzung begründetes „Bauchgefühl“ beruhendes Urteil widerspricht dem verfassungsrechtlich verankerten Gebot rational begründeter und tatsachengestützter Beweisführung. Denn auch wenn sich niemand der Einwirkung des eigenen persönlichen Eindrucks entziehen kann, muss die zur Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Richters aus objektiven und rationalen Gründen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Die Verteidigung muss daher in objektiven Zweifelsfällen engagiert und mit vollem Einsatz für den Freispruch kämpfen!

Unser Erfolgskonzept

Angezeigte Tat war einvernehmlich

Werden sexuelle Vorwürfe erhoben, die allerdings auf einvernehmlichem Geschehen beruhen, spricht man von einer „subjektiven“ Falschbeschuldigung. Dabei werden die tatsächlich stattgefundenen sexuellen Handlungen vom vermeintlichen Tatopfer dem Grunde nach zutreffend geschildert, allerdings wird im Nachgang plötzlich behauptet, dass dies gegen den Willen, also nicht einvernehmlich gewesen sein soll. Im Extremfall stimmt die gesamte Erzählung bis in jedes Detail, hinzu gedichtet wird jedoch eine angeblich ablehnende Äußerung oder Abwehrhandlung.

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Diese Vorwürfe sind sehr ernst zu nehmen, da das vermeintliche Opfer bei seiner Schilderung auf einem unstrittigen Geschehen aufbaut und lediglich die paar wenigen Details zum Einvernehmen abweichen. Problematisch ist dabei, dass die Juristen die Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage aber vor allem anhand deren Detailliertheit beurteilen wollen, eine Detailliertheit die bei einvernehmlichen Sex zu 95 % mit ungewollten Sex übereinstimmen kann! Gerade dieses Phänomen kennt man aus dem Alltag nur zu gut: Die besten Lügner bauen ihre Geschichte nah an der Wahrheit.
Dabei kommt erschwerend hinzu, dass nach aktueller Rechtslage bereits ein kaum vernehmbares „Hör Auf!“ beim einvernehmlich begonnenen Sex ausreichen kann, um eine Verurteilung wegen Vergewaltigung zu begründen. Gleichzeitig bedarf es keiner herausragenden Lügenkompetenz, dieses Detail in die Schilderung eines ansonsten wahren Geschehens einzubauen.

In diesen Fällen steht es also im klassischen Sinne „Aussage gegen Aussage“ – es gibt zwei in nur wenigen Detailfragen abweichende Schilderungen des Tatvorwurfes. Soweit beide beteiligte Parteien bei ihrer Version bleiben, erscheint eine Aufklärung ohne weitere Beweise eigentlich unmöglich.
Aber Vorsicht! Wenn das angebliche Opfer besonders „glaubhaft“ oder „traumatisiert“ wirkt, solidarisieren sich die Strafverfolgungsbehörden oft schnell mit der oder dem vermeintlich Geschädigten – und es wird Anklage wegen Vergewaltigung erhoben, im schlimmsten Fall sogar die Untersuchungshaft angeordnet!

Zu oft werden immer noch die zahlreichen Ursachen für objektiv falsche Beschuldigungen unterschätzt: Bei Falschbeschuldigungen spielen Motive wie Rache, Eifersucht oder Karriere eine tragende Rolle, oft verbunden mit externem Rechtfertigungsdruck – etwa nach moralisch anstößigem Verhalten wie z.B. Fremdgehen, Sex mit dem Vorgesetzten, übermäßigem Alkoholkonsum etc.
Ein nicht geringer Anteil von subjektiven Falschbeschuldigungen beruht vor allem auch auf psychischen Krankheiten (insbesondere Borderline, ADHS, Schizophrenie oder narzisstische Persönlichkeitsstörung). Dabei nehmen die Betroffenen das Geschehen subjektiv völlig anders wahr oder unterliegen autosuggestiv induzierten Scheinerinnerungen. Problematisch ist, dass die betroffenen falschen Opferzeugen in diesen Fällen oft selbst an die vermeintliche Tat glauben und daher besonders glaubhaft und authentisch wirken (vor allem dann, wenn sie sich in psychologische Therapien begeben).
Aber auch bei geistig gesunden Personen entstehen Falschbeschuldigungen oft erst durch nachträgliche Umdeutung der Ereignisse oder fremdsuggestiv induzierte Scheinerinnerungen (sog. Aufdeckungsarbeit). Gerade bei Erinnerungsschwäche durch Alkohol, Drogen oder Schlafmangel (oft eine Kombination dieser Faktoren) führt das „klärende“ Gespräch mit vorwurfsvollen Eltern, besorgten Freundinnen, betrogenen Partnern, tadelnden Arbeitgebern oder engagierten Polizeibeamten nicht selten zu einer Flucht in die Opferrolle, um nicht die Verantwortung für als besonders peinlich empfundene und schambehaftete sexuelle Begegnungen übernehmen zu müssen.
Ist aber erst einmal eine Anzeige in der Welt, gibt es für das vermeintliche Opfer keinen ehrenvollen Ausweg mehr, sondern nur die „Flucht nach vorne“ bis hin zur Verurteilung des zu Unrecht Beschuldigten!

Kein vorwerfbares Verhalten

Bei Fällen, in denen sich das vermeintliche Opfer sexuell angegriffen „fühlt“, der Beschuldigte dies aber entweder nicht erkannt oder beabsichtigt hat, schildert das vermeintliche Tatopfer die Wahrheit, der Beschuldigte wiederum hat sich durch sein Verhalten aber nicht strafbar gemacht. Es handelt sich hierbei häufig um Missverständnisse, oft bedingt durch fehlgeleitete Kommunikation, mitunter aber auch um rein moralisches, aber strafloses Fehlverhalten.

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Wegen der zahlreichen Fehlerquellen für Missverständnisse und stark abweichenden persönlichen Moral- und Grenzvorstellungen im zwischenmenschlichen Bereich stellt genau diese Fallgruppe die mit Abstand größte Zahl an Strafverfahren dar. Grundlage für die Strafverfolgung sind dabei entweder falsche Schlussfolgerungen des Opfers oder der Strafverfolgungsbehörden, unterschiedliche  individuelle Grenzziehungen für „noch akzeptables“ Verhalten und manchmal auch schlicht der Wunsch, vermeintlich „Anstößiges“ zu bestrafen. Klassische Fälle sind dabei angebliche „Belästigungen“ am Arbeitsplatz bei denen erwiderte Komplimente falsch verstanden werden, missglückte Annäherungsversuche in einer zunächst zugewandten Stimmung, derbe sexistische Scherze oder „Mutproben“, am häufigsten aber vermeintliche Vergewaltigungen nach feucht-fröhlichen Partyabenden, die mit gegenseitigen Avancen begonnen hatten.

Auch wenn der Beschuldigte sich in diesen Fällen meistens gar nicht strafbar gemacht hat, ist die Gefahr derartiger Vorwürfe nicht zu unterschätzen! Häufig leiten Polizei und Staatsanwaltschaft zunächst ein aufwändiges strafrechtliches Ermittlungsverfahren ein, bei welchem Bekannte, Arbeitskollegen und andere Personen aus dem Umfeld des Beschuldigten und des vermeintlichen Opfers befragt werden. Bereits der Vorwurf einer sexuell konnotierten Straftat kann sich dabei als sozial und beruflich existenzvernichtend erweisen.

Umgekehrt kann es aber auch zu erheblichen Beweisproblemen auf Seiten des Beschuldigten kommen, gerade dann wenn – wie im Sexualstrafrecht oft üblich – vorangegangene Avancen, gegenseitiges Interesse oder eine sonstige sexuelle Annäherung erfolgte, aber dies nicht bewiesen werden kann – weil es Aussage gegen Aussage steht und die andere Person dies abstreitet, anders wahrgenommen oder missverstanden hat!

Dabei darf nicht unterschätzt werden dass bereits verhältnismäßig „harmlose“ Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens zu erheblichen beruflichen Problemen führen können. So ist die rein verbale sexuelle Belästigung, z. B. durch sexistische Witze oder anzügliches Hinterherrufen („Catcalling“) zwar (noch) nicht strafbar, so dass zumindest keine Freiheitsstrafen oder langjährige Eintragungen ins Führungszeugnis drohen. Anders sieht es aber mit den drohenden arbeitsrechtlichen Folgen aus: Auch strafrechtlich neutrales Verhalten kann im Beruf schwere Folgen haben, oft genügt bereits der bloße Vorwurf für eine vorschnelle „Verdachtskündigung“.

Äußerst problematisch sind mittlerweile die Fälle, in denen das vermeintliche Opfer nach umfangreichem Alkohol- oder Drogenkonsum auf Grundlage falscher Schlussfolgerungen eine Vergewaltigung im widerstandslosen Zustand behauptet. Ganze oder teilweise Erinnerungslosigkeit an die durchzechte Nacht führt – verbunden mit angeblichen „Symptomen“ wie z. B. Kopfschmerzen und Gleichgewichtsstörungen sowie vermeintlichen „Indizien“ wie z. B. einem Aufwachen im Bett des Beschuldigten – mitunter zu der folgenreichen Fehlvorstellung, es habe einen sexuellen Übergriff gegeben oder der Sex sei nicht einvernehmlich gewesen.

Fast immer werden alkohol- oder drogenbedingte Erinnerungslücken darüber hinaus mit der angeblichen Beigabe von “KO-Tropfen” erklärt. Dabei zeigt die  Erfahrung, dass entgegen aufbauschender Berichterstattung die meisten der vermeintlichen Opfer von KO-Tropfen im Ergebnis einfach nur sehr stark betrunken waren. Gleichwohl führen derartige (falsche) Vorwürfe nicht selten zu einer vorauseilenden Anklage!

Strafmaß-Verteidigung bei eingestandenem Fehlverhalten

Nach zahlreichen „Reformen“ über die letzten Jahre drohen nunmehr selbst bei verhältnismäßig „niederschwelligen“ Sexualdelikten hohe Mindeststrafen und langjährige Eintragungen ins Führungszeugnis. Beim Tatvorwurf Vergewaltigung ist eine bewährungsfähige Strafe nur möglich, wenn eine die Mindeststrafe von 2 Jahren aufgrund besonderer mildernder Umstände herabgesetzt werden kann.

Ein im Sexualstrafrecht immens relevanter Strafmilderungsgrund ist der sogenannte „Täter-Opfer-Ausgleich“. Hierfür muss der Täter ernsthafte Verantwortung für das Geschehen übernehmen und einen „kommunikativen Prozess“ mit dem Opfer anstreben – meist durch ein Geständnis, verbunden mit einer angemessenen Schmerzensgeldzahlung. Durch einen erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich wird die Mindeststrafe bei einer Vergewaltigung von 2 Jahren auf „nur“ 6 Monate Freiheitsstrafe herabgesetzt, bei sexuellen Übergriffen ist statt einer Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten sogar eine milde Geldstrafe möglich.

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Durch ein frühes und umfassendes Geständnis können dem Opfer zudem belastende und als demütigend empfundene Beweiserhebungen, insbesondere umfangreiche konfrontative Vernehmungen sowie medizinische oder psychiatrische Untersuchungen, ganz oder weitgehend erspart werden, was von den Gerichten nahezu immer mit einer weiteren großzügigen Strafmilderung honoriert wird. Bei nicht (erheblich) vorbestraften Tätern ist mit einem Geständnis fast immer noch eine Bewährungsstrafe machbar!

Neben einer drohenden Haftstrafe kann durch eine Einigung („Deal“) mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht in vielen Fällen auch ein langwieriges und medienwirksames öffentliches Verfahren vermieden werden. Bei weniger schwerwiegenden Fällen kann eine Verurteilung im (schriftlichen) Strafbefehlsweg vereinbart werden, so dass man als Betroffener überhaupt nicht vor Gericht erscheinen muss!
Bei milden Vorwürfen wie sexueller Belästigung kann bei ehrlicher Reue mit der Staatsanwaltschaft sogar eine Verfahrenseinstellung vereinbart werden – ohne Eintragung ins Führungszeugnis.

Es kann sich also für den Täter durchaus „lohnen“, zu seiner Tat zu stehen und gegenüber dem Opfer die Verantwortung zu übernehmen. Neben den besseren und vor allem kalkulierbaren strafrechtlichen Folgen kann ein Täter-Opfer-Ausgleich auch ganz wesentlich zur Befriedung einer konfliktreichen Lebenssituation beitragen – insbesondere im Familien-, – Freundes-, Bekannten- oder Kollegenkreis kann so auch echte Versöhnung und Vergebung bewirkt werden.

Allerdings sollte man auf keinen Fall versuchen, als Anwalt in eigener Sache tätig zu werden! Eine Kontaktaufnahme mit dem Opfer durch den Beschuldigten – sei sie auch noch so gut gemeint – verbietet sich und kann schlimmstenfalls sogar zu einem Haftbefehl wegen vermeintlicher „Verdunkelungsgefahr“ (drohende Zeugenbeeinflussung) führen! Auch ist der Spielraum der Staatsanwaltschaften und Gerichte bei der Strafzumessung sehr hoch, ein vermeintlich „großzügiges“ frühes Angebot der Justiz kann sich im Ergebnis als großer Fehler erweisen. Jegliche Verhandlungen mit der Justiz oder der Nebenklage sollte daher durch einen im Sexualstrafrecht erfahrenen Rechtsanwalt erfolgen, um das bestmögliche Ergebnis zu sichern.

Rechtslage bei Vergewaltigung / Übergriff

Sexueller Übergriff
(Nein heißt Nein)

Nach der neuen Gesetzeslage sind alle sexuellen Handlungen strafbar, die gegen den „erkennbaren“ Willen der anderen Person vorgenommen werden (§ 177 Abs. 1 StGB).
Mit dieser Formulierung sollte das Prinzip “Nein heißt Nein!” gesetzlich umgesetzt werden. Dies ist gründlich misslungen! Denn laut Gesetz soll der „entgegenstehende“ Wille aus Sicht eines “objektiven Dritten” bestimmt werden.
Erkennbar ist ein entgegenstehender Wille demnach dann, wenn
– die andere Person ihre Weigerung ausdrücklich erklärt
– die andere Person sich wehrt, sträubt oder weint
– sich die Weigerung in sonstiger Weise unmissverständlich aus der Situation ergibt.

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Die Auslegung des “erkennbar“ entgegenstehenden Willens aus Sicht des „objektiven Beobachters“ mag bei eindeutigen Reaktionen einfach sein, ist aber bei komplexeren Konstellationen krass auslegungsbedürftig – wenn nicht sogar unmöglich.
Objektivität stößt im Bereich der Sexualität schnell an ihre Grenzen, da individuelle Einstellungen und Vorlieben der Bewertenden zu völlig unterschiedlichen Bewertungen führen können.
Eine Folgerung wie: „Unter diesen Umständen kann er/sie das nicht gewollt haben“ ist für subjektive Einfärbungen höchst anfällig.
Denn wie verhält es sich beispielsweise, wenn
– die andere Person zwar mit Worten ihre Ablehnung signalisiert (“Ich will das nicht”), aber gleichzeitig Zärtlichkeiten erwidert?
– die andere Person überhaupt nicht kommuniziert, weder Ablehnung noch Zustimmung signalisiert und den Sex quasi “über sich ergehen lässt”?
– spezielle Sexualpraktiken zwischen den Personen üblich sind oder ausprobiert werden sollten, die Situation aber “entgleist”?

Gerade also ambivalentes / widersprüchliches Verhalten des mutmaßlichen Opfers führt in der Praxis zu großen Problemen. Denn wie grenzt das Gericht in solchen Fällen ab, wenn der angeblich entgegenstehende Wille – wie so oft – nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht wurde, sondern nur aus vermeintlich erkennbarem Verhalten zu erschließen sein soll?

Bei Weinen und Abwehren der sexuellen Handlung oder Gewaltanwendung erscheint der Fall noch klar. Was aber wenn das Opfer aktiv mitwirkt und das Gesamtverhalten damit keine eindeutige Ablehnung signalisiert? Wenn die vermeintlich geschädigte Person den „Täter“ in seinem Hotelzimmer aufsucht, sich nackt zu ihm ins Bett legt und / oder mitgebrachte Kondome auspackt?
Auch kann zweifelhaft sein, ob ein „Nein“ im Einzelfall wirklich die Bedeutung einer strikten Ablehnung hatte, wenn die Person später höchst aktiv mitwirkt und die sexuellen Handlungen des anderen nicht nur passiv erduldet. So muss etwa in Beziehungen oder Affären ein erstes „Nein“ nicht zwingend ernst gemeint sein und auch noch keine endgültige Ablehnung bedeuten – gerade wenn es zwischen den Beteiligten zuvor üblich war, sich gegenseitig zunächst „in Stimmung zu bringen“.
Die Formel “Nein heißt Nein!” mag im Regelfall Orientierung bieten, aber dennoch bedeutet ein “Nein” im Strafrecht nur dann “Nein”, wenn es ernst gemeint ist.

Bereits an diesen wenigen Beispielen kann man also erkennen dass gleich ob Beschuldigten- oder Opfervertretung der Anwalt von Anfang an die diffizile und unübersichtliche Gesetzeslage und Einzelfallrechtsprechung im Blick haben muss.

Die Beweiserhebung muss sich also zwangsläufig auch stark auf das Verhalten des (echten oder vermeintlichen) Opfers konzentrieren, weil nur daraus das Fehlen der Zustimmung abgeleitet werden kann.
Daneben gewinnen auch die äußeren Umstände von Bedeutung. Je mehr die Umstände der Situation aus objektiver Sicht eine Zustimmung naheliegend erscheinen lassen, umso weniger kann man auch von einem “objektiv entgegenstehenden Willen” ausgehen – und umgekehrt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang natürlich auch die Beziehung zwischen der tatverdächtigen Person und dem mutmaßlichen Opfer. Im Ergebnis muss nämlich für eine Strafbarkeit nicht nur der „objektive Beobachter“, sondern auch der mutmaßliche Täter selbst davon ausgehen, dass das angebliche Opfer mit der sexuellen Handlung nicht einverstanden ist – oder diese Möglichkeit zumindest erkennen und bei Tatbegehung “billigend in Kauf nehmen”. Dabei kommt es noch nicht einmal auf den Grund der Unkenntnis an und auch nicht ob dies vermeidbar war (Alkohol) oder sich dies auf moralisch “überzeugende” Grundlagen stützt (Ausländer). Denn eine Strafbarkeit für fahrlässiges Handeln sieht das Gesetz nicht vor.
Gibt ein Beschuldigter also glaubhaft an, er habe die Kommunikation missverstanden, kann er nicht bestraft werden.

Die Gefahr einer Fehlverurteilung ist freilich gerade an diesem Punkt extrem hoch. Denn der Gesetzeswortlaut lässt grundsätzlich die Deutung zu, dass der Täter lediglich die Umstände erkannt haben muss, aus denen der „objektive Beobachter“ im Gegensatz zu ihm die „richtigen“ Schlüsse gezogen hat. Im Übrigen ist es sehr gut vorstellbar, dass der den entgegenstehenden Willen für objektiv erkennbar haltende Richter dem Angeklagten schlicht nicht glauben wird, wenn er behauptet dies gerade nicht erkannt zu haben. Insoweit ist auch gerade an dieser Stelle entscheidend wie man anwaltlich beraten und betreut wird!

Ausnutzen eingeschränkter Widerstandsfähigkeit
(Ja heißt Ja)

Zusätzlich zum sexuellen Übergriff (§ 177 Abs. 1 StGB) sind auch Fälle strafbar, in welchen das Opfer nur eingeschränkt zum Widerstand gegen unerwünschte sexuelle Handlungen des Täters fähig sein soll (§ 177 Abs. 2 StGB).

Im Gesetz werden Fallgruppen gebildet, in denen sich eine Person auch dann strafbar machen kann, wenn ein „objektiver Beobachter“ gerade keinen entgegenstehenden Willen des Opfers erkennen kann (§ 177 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 StGB).

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Fall 1: Widerstandsunfähigkeit (§ 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB)
Der früher in § 179 StGB geregelte Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person erfasst all die Fälle, in denen das Opfer erst gar nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern.
Dies ist offenkundig der Fall bei Bewusstlosen, Schlafenden und Personen unter schwerem Alkohol- oder Drogeneinfluss. Es ist dabei für die Strafbarkeit irrelevant, ob das Opfer durch den Täter in eine solche Lage gebracht wurde oder ob der Täter das Opfer bereits in diesem Zustand vorgefunden oder sich das Opfer gar freiwillig in diese Lage versetzt hat.

In der Praxis wird auf Opferseite häufig vollständige oder teilweise Erinnerungslücken geltend gemacht. Nicht selten wird der Vorwurf erhoben, der Beschuldigte habe das Opfer mit sogenannten “KO-Tropfen”gefügig gemacht. Aufgrund der sehr kurzen Nachweisbarkeit kann diese Behauptung durch rechtsmedizinische Untersuchungsmethoden meistens weder bestätigt noch widerlegt werden.
Umgekehrt kann aus der Schilderung des Verhaltens der Person durchaus darauf geschlossen werden, ob der “Filmriss” einerseits eher dem Alkohol oder anderen Ursachen zuzurechnen ist, ob die Person andererseits nach juristischen Kriterien wirklich widerstandsunfähig war oder nicht und ob dies gegebenenfalls durch den Beschuldigten überhaupt erkennbar war.
Zwar ist auch das vorsätzliche Ausnutzen der durch Alkoholkonsum induzierten Widerstandsunfähigkeit zum Zwecke der Vornahme sexueller Handlungen strafbar; hierauf kann aber im Gegensatz zu KO-Tropfen nicht ohne Weiteres geschlossen werden, insbesondere wenn der Beschuldigte selbst stark alkoholisiert war und das mutmaßliche oder vermeintliche Opfer die Annäherung aktiv erwidert oder sogar selbst betrieben hat.

Fall 2: Eingeschränkte Widerstandsfähigkeit (§ 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB)
Auch macht sich strafbar, wer „ausnutzt”, dass die andere Person bei Vornahme der sexuellen Handlung in der Bildung oder Äußerung des Willens „erheblich eingeschränkt“ ist. Dies soll nicht gelten, wenn man sich zuvor der Zustimmung dieser Person „versichert“ hat.
Ab welchem Punkt die Beeinträchtigung den Grad einer “erheblich” eingeschränkten Willensbildung erreicht, ist bislang überhaupt nicht geklärt.
Erfasst sein sollen Menschen mit erheblicher Intelligenzminderung oder stark betrunkene Menschen, deren Trunkenheitsgrad die Fähigkeit zur Willensbildung oder -äußerung aber noch nicht absolut ausschließt.
Gerade bei Betrunkenen ergeben sich hier extreme Beweisschwierigkeiten. Es gibt nämlich keine Wissenschaft, die eine Unterscheidung zwischen der vom Gesetzgeber vorgenommenen Willensbildungsformen macht, weil es schlicht keinen Anhaltspunkt dafür gibt, wann eine Willensbildung ein bisschen, etwas mehr, erheblich oder stark eingeschränkt wäre und woran man das als (nicht selten selbst betrunkener) vermeintlicher Täter erkennen kann.
Diese Beweisprobleme gelten insbesondere natürlich auch für die Anforderung an die “Versicherung der Zustimmung”. Nach dem Gesetzeswortlaut reicht selbst die tatsächliche Zustimmung der geschützten Person noch nicht aus, um an ihr sexuelle Handlungen vornehmen zu dürfen. Stattdessen muss sich die handelnde Person der Zustimmung “versichern”. Es soll demnach noch nicht einmal ausreichen, wenn die Person erst im Nachhinein erklärt hat, dass sie das alles so gewollt habe.

Fall 3: Ausnutzen eines “Überraschungsmoments” (§ 177 Abs. 2 Nr. 3 StGB)
Wer ein Überraschungsmoment zur Vornahme von sexuellen Handlungen an einer anderen Person ausnutzt, macht sich seit 2016 ebenfalls strafbar. Die Vorschrift soll insbesondere die scharfe Bestrafung stark übergriffiger Grapscher ermöglichen, welche in der Öffentlichkeit plötzlich in die engste Intimzone des Opfers greifen, wie in der “Kölner Silvesternacht” 2015/2016 geschehen. Die Vorschrift soll eine weitere “Lücke” schließen, wenn nämlich der Täter so schnell und überrumpelnd vorgeht, dass die sexuelle Handlung bereits geschehen ist, wenn das Opfer den Vorfall registriert und es somit für eine entgegenstehende Willensäußerung bereits zu spät ist.

Das mag bei derartigen Fällen einleuchtend erscheinen, allerdings ist auch diese Vorschrift derartig weitgehend formuliert, dass auch gesellschaftlich mehrheitlich als „normal“ angesehene Verhaltensweisen das Risiko empfindlicher Strafen in sich bergen. Denn vom Wortlaut der Norm würde auch die stürmische Begrüßung eines Partners erfasst, der oder die ja auch mal keine Lust haben könnte – die Strafbarkeit wäre dann durch dies “überraschende” Handlung bereits eingetreten.
Auch bei einem “mutigen” ersten Kuss nach einem romantischen Abendessen drohen theoretisch harte Strafen, schließlich wäre ja auch eine ablehnende Reaktion gut denkbar. Das zynische Argument, so etwas würde ja keiner anzeigen, überzeugt nicht: Denn die absurd langen Verjährungsfristen bei Sexualdelikten von teilweise mehr als 30 Jahren selbst für “Bagatellfälle” dürfte die Dauer durchschnittlicher Beziehungen weit überdauern. Es bleibt abzuwarten, wie die Justiz in Zukunft mit derartigen “Racheakten” umgehen wird. In jedem Fall bleibt auch hier die rechtsstaatlich kaum erträgliche Situation, dass die Strafverfolgung faktisch in das moralische Belieben der Justiz gestellt wird.

Fall 4: Ausnutzen eines drohenden empfindlichen „Übels“ bei Widerstand (§ 177 Abs. 2 Nr. 4 StGB)
Strafbar macht sich, wer eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht; anders gesagt, die Furcht des Opfers vor einem empfindlichen Übel ausnutzt.

Das vom Opfer befürchtete Übel wird nicht näher spezifiziert. Es muss aber offensichtlich geeignet sein, die sich bedroht fühlende Person in der konkreten Situation zu dem gewünschten (sexuellen) Verhalten zu bestimmen.
Was letztlich ein Empfindliches Übel ist, kann nur anhand der bereits bestehenden Rechtsprechung zur allgemeinen Nötigung (§ 240 StGB) ausgelegt werden und eröffnet damit einen weiteren erheblichen Spielraum für die Anklage.
Als Beispiele für empfindliche Übel wurden in der Rechtsprechung bislang nämlich unter anderem angesehen: Unterbinden einer Heizöllieferung, langanhaltender Lärmterror, kein Dissertationsthema zu vergeben, jemanden ohne Regenschirm in den Regen rausschicken. In Betracht zu ziehen sind demnach auch soziale Nachteile jeglicher Art wie etwa die Befürchtung, bei einer Verweigerung den Partner, Mitgliedschaften, Arbeitsplatz etc. zu verlieren. Irrelevant soll auch sein, ob der Eintritt des befürchteten Übels rechtlich erlaubt ist. Wer etwa eine illegale Prostituierte aufsucht und dabei ihre Angst vor einer Abschiebung ausnutzt, soll sich ebenfalls strafbar machen.

Damit wäre das Leben an sich als Gefährdungslage definiert, denn jeder Mensch ist jederzeit in einer Lage, in welcher bei Widerstand irgendein Übel drohen kann. Dabei soll noch nicht einmal eine Drohung nötig sein, das strafbare Ausnutzen durch Vornahme der sexuellen Handlungen soll genügen. Der Täter muss also nach dem Gesetzeswortlaut das vorm Opfer befürchtete Übel nicht ausdrücklich androhen. Maßgeblich soll vielmehr die Opferperspektive sein. Ob der Täter das befürchtete Übel überhaupt in die Tat umsetzen kann oder dies will ist unerheblich.

Im Ergebnis wird die Verteidigung darauf hinweisen müssen, dass das allgemeine Lebensrisiko irgendeines potentiell drohenden unerwünschten Nachteils bei Zurückweisung nicht genügen kann.

Wichtig:
In all den vorbenannten Fallgruppen ist für eine Strafbarkeit nach den § 177 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 StGB stets erforderlich, dass der Täter die jeweilige Lage des Opfers bewusst ausnutzt. Hierbei handelt es sich um eine zusätzliche Voraussetzung, welche bei Bestreiten des Beschuldigten nach objektiven Kriterien festgestellt werden muss.

Das sog. “Ausnutzen” wird beispielsweise zu verneinen sein, wenn das „Opfer“ bei gemeinsamem Drogen- oder Alkoholkonsum bereits zuvor in „defektfreiem“ Zustand dem sexuellen Kontakt zugestimmt hatte und/oder in nüchternem Zustand begonnene einvernehmliche sexuelle Handlungen lediglich unter Alkoholeinfluss fortgeführt werden. Denn hier nutzt der Tatverdächtige nicht die Einschränkung beim Opfer aus, sondern kann sich auf eine defektfreie Willensbildung im nüchternen Zustand stützen.
Gleiches gilt beim Ausnutzen eines Überraschungsmoments, wenn der Tatverdächtige mit der Person in einer festen Partnerschaft lebt oder schon vorherigen Sexualkontakt hatte und davon ausgeht, dass die sexuellen Handlungen auch ohne Überraschungseffekt wohl auf Zustimmung getroffen sein würden. Auch dann wird regelmäßig zumindest das Ausnutzungsmoment des sexuellen Übergriffs zu verneinen sein.

Sexuelle Nötigung
(Drohung / Gewalt)

Strafbar macht sich, wer jemanden durch Drohung mit einem „empfindlichen Übel“ zu sexuellen Handlungen nötigt ( § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB). Hier muss der Täter den entgegenstehenden Willen des Opfers durch Zwang brechen, indem er dem Opfer ein konkretes, „empfindliches“ Übel in Aussicht stellt. Erforderlich ist hier ein direkter Zusammenhang zwischen der Nötigungs- und sexuellen Handlung.
Was allerdings unter einem sog. „empfindlichen Übel“ zu vertsehen ist, ist – ähnlich wie bei § 177 Abs. Nr. 4 StGB (vgl oben) völlig unbestimmt und teils ausufernd auslegbar. Entsprechend kann und muss hier nicht nur auf die „Opferperspektive“ abgestellt werden, sondern vor allem auch auf die Straflosigkeit absolut legitimen Verhaltens hingewiesen werden.

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Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird überdies als ebenfalls „sexuelle Nötigung“ bestraft, wenn der Täter gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist (§ 177 Abs. 5 StGB). Vor allem Letzteres führt zu teils völlig absurden Fallkonstellationen, etwa dann, wenn man als Liebespaar an einen abgeschiedenen Ort (z.B. nächtlicher Parkplatz o.Ä.) fährt oder gar im eigenen Zuhause Sex bei abgeschlossener Tür hat.
Dabei ist die Bezeichnung als “sexuelle Nötigung” irreführend, da eine echte Nötigung (bestimmender Zwang) des Opfers nach dem Wortlaut gerade nicht (mehr) erforderlich sein soll. Bei der Anwendung von Gewalt muss diese entsprechend vom Täter auch nicht eingesetzt werden, um die sexuelle Handlung selbst zu erzwingen. Es soll also genügen, wenn der Täter das die sexuellen Handlungen ablehnende Opfer zur Luststeigerung schlägt.
Allerdings ist auch hier ein klarer Zusammenhang zwischen Gewalt und der sexuellen Handlung erforderlich. Nicht ausreichend ist es auch, wenn der Täter die Gewalt im Rahmen einvernehmlicher sexueller Handlungen anwendet, außer die Gewalthandlung selbst stellt zugleich auch eine sexuelle Handlung dar. Letzteres hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich im Rahmen einer Entscheidung auf eine von unserer Kanzlei geführten Revision hin klargestellt.

Vergewaltigung
(Eindringen in den Körper)

Die Bezeichnung „Vergewaltigung“ ist irreführend und hat letztlich rechtshistorische Gründe, da eine “Vergewaltigung” nach neuem Sexualstrafrecht entgegen dem Gesetzeswortlaut keinerlei Gewaltanwendung voraussetzt.

Was viele ebenfalls nicht wissen: Die „Vergewaltigung“ betrifft nicht nur Fälle des ungewollten Geschlechtsverkehrs, sondern jede Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist. Hierbei reicht bereits das kurze Einführen eines Fingers aus, ebenso der Oralverkehr.

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Als „besonders schwerer Fall“ des sexuellen Übergriffs bzw. der sexuellen Nötigung wird die Vergewaltigung mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren Haft bestraft, was – wenn keine Strafmilderungsgründe zu einer herabgesetzten Mindeststrafe führen – eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausschließt.

Diese hohe Mindeststrafe ist jedenfalls in solchen Fällen unverhältnismäßig, wo keinerlei Gewalteinwirkung erfolgt ist und die andere Person durchaus auch aktiv mitgewirkt hat – wenn beispielsweise der Tatverdächtige sich vor dem Sex mit einem angetrunkenen Partner aus Sicht des Gerichts nicht ausreichend der Zustimmung “versichert” hat.
Während bei der “Vergewaltigung mit Gewalt” im Regelfall der besonders schwere Fall zu bejahen sein wird, ist dies in anderen Konstellationen keinesfalls ein Automatismus. Zwar ist im Gesetz ein minder schwerer Fall der Vergewaltigung als solcher nicht vorgesehen, allerdings handelt es sich bei der Strafverschärfung „Vergewaltigung“ um eine zwar in der Regel, aber nicht zwangsläufig anzuwendende Strafverschärfung.

Angesichts der unbestimmten Gesetzeslage und den damit verbundenen relativ willkürlichen Entscheidungsmöglichkeiten des Gerichts nimmt gerade beim Tatvorwurf der Vergewaltigung die Frage, ob ein “besonders schwerer Fall” in Betracht zu ziehen ist, in Gerichtsentscheidungen eine wichtige Rolle einnehmen. Denn auch hier muss das Gericht in einem Urteil zumindest in nachvollziehbarer Weise aus den in der Verhandlung festgestellten äußeren Umständen des Falles seine Entscheidung so gut begründen, dass das Urteil einer Überprüfung in der Berufung oder Revision standhält. In solchen Konstellationen ist es besonders wichtig, dass die Verteidigung darauf achtet auch alle zugunsten des Angeklagten sprechende Umstände formal in den Strafprozess einzuführen.

Rechtslage vor 2016 / Verjährung

Auch die Verjährungsfristen wurden im Sexualstrafrecht über die Jahre hinweg verschärft  und teils rückwirkend verlängert.

Daher haben ältere Gesetzesfassungen in der Praxis immer noch einige Bedeutung, da Änderungen in den Verjährungsfristen auch solche Fälle erfassen, welche zum Zeitpunkt der jeweiligen Gesetzesänderung (noch) nicht verjährt waren.

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Wichtig: Die Vorschirften zur Verjährung sind extrem kompliziert in der Anwendung auf Altfälle, also Fälle die länger als die letzte Gesetzesänderung (2016) zurückliegen. Oft wird dabei übersehen, dass Fälle, die nach neuster Rechtslage grundsätzlich noch nicht verjährt sind, bereits in der Vergangenheit verjährt sein können und daher trotz Verlängerung der Verjährungsfrist nicht mehr verfolgt werden dürfen.

Umgekehrt erfassen die mittlerweile absurd langen Verjährungsfristen von teilweise mehr als 30 Jahren auch Tatvorwürfe, welche bis in die 90er-Jahre zurückreichen können. Ob solche Fälle sich überhaupt noch sinnvoll aufklären lassen – gerade bei einer “Aussage-gegen-Aussage”-Konstellation – darf bezweifelt werden, dennoch oder gerade deswegen sind solche Vorwürfe im aktuellen gesellschaftlichen Klima massiver Vorverurteilungen beim Vorwurf von Sexualstraftaten sehr ernst zu nehmen.

Stets zu beachten:  Bei allen Tatvorwürfen ist stets das damals geltende Sexualstrafrecht anzuwenden.

Das gilt insbesondere für Tathandlungen die vor dem 10.11.2016 (Nein heißt Nein) und ggf. auch für Taten die vor 1998 (Vergewaltigung in der Ehe) stattgefunden haben sollen.

Bei dem Tatvorwurf der sexuellen Nötigung / Vergewaltigung war im „alten“ Sexualstrafrecht vor 2016 z.B. eine zielgerichtete Gewaltanwendung mit Nötigungswirkung auf das Opfer zwingende Voraussetzung für die Strafbarkeit, während nach neuem Recht eine schier uferlose Zahl an gewaltlosen Handlungen für den schweren Vorwurf einer Vergewaltigung völlig ausreichen können (vgl. oben).

Da bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten nicht selten nur die aktuellsten Gesetzestexte und Gesetzeskommentare vorhanden sind, ist es in solchen Konstellationen besonders wichtig, dass der Verteidiger frühzeitig auf die Unanwendbarkeit der neuen Gesetze hinweist.