Seit 2002 steht fest: Exhibitionismus ist nur für Männer strafbar.
In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2002, das Exhibitionismus nur für Männer unter Strafe stellt, wird auf eine Gerichtsentscheidung verwiesen in der es u.a. heißt, dass „unnatürliche Sünden, welche wegen ihrer Abscheulichkeit hier gar nicht genannt werden können“, mit „gänzlicher Vernichtung des Andenkens“ durch Zuchthausstrafe“ zu bestrafen seien.
Dabei wendet das Bundesverfassungsgericht zur Begründung der Strafbarkeit des Exhibitionismus nur für den Mann ein Gesetz an, das auf Grund des Ermächtigungsgesetzes von der nationalsozialistischen Reichsregierung erlassen worden ist.
Dieses Sonderstrafrecht nur für Männer ist einzigartig, wenn auch für den begeisterten Verfechter von #metoo und Gleichberechtigung vielleicht auf Anhieb nicht ganz nachvollziehbar. Schließlich heißt es doch in unserem Grundgesetz: Alle Menschen sind gleich.
Auf die Idee, dass es ein klein wenig ungerecht sein könnte, weibliche Exhibitionistinnen gesetzlich anders – oder besser gesagt ungleich – zu behandeln, waren zwei bekennende (männliche) Exhibitionisten 1999 und 2002 bereits gekommen und klagten vor dem Bundesverfassungsgericht gegen ihre Strafe – Das Ergebnis: Sie scheiterten.
Der Gesetzgeber und das Bundesverfassungsgericht sind trotz aller propagierten Gleichberechtigung nach wie vor der festen Überzeugung, dass die Präsentation des unbekleideten weiblichen Körpers nicht strafbar sein soll. Dabei verwies unser höchstes Gericht lapidar auf eine Verfassungsgerichtsentscheidung von 1957 (siehe Anlage). Darin sei schließlich eindeutig geklärt und entschieden worden, dass es durchaus in Ordnung sei, männliches Sexualverhalten anders zu bestrafen als weibliches.
Damals waren es zwei Homosexuelle gewesen, die es als „ungleich“ empfanden, nur Männer wegen „widernatürlicher Unzucht“ ins Gefängnis zu schicken, Lesbierinnen hingegen nicht.
Die Gründe warum es nach wie vor völlig in Ordnung ist, den männlichen Exhibitionisten zu bestrafen, die weibliche Exhibitionistin nicht, sind also laut unserer Verfassungshüter dieselben wie in der 1957 ergangenen Entscheidung. Denn – so die zitierte Entscheidung –
„schon die körperliche Bildung der Geschlechtsorgane weist für den Mann auf eine mehr drängende und fordernde, für die Frau auf eine mehr hinnehmende und zur Hingabe bereite Funktion hin“.
Die Verfassungsrichter erkannten außerdem, dass
„der entscheidende Unterschied zwischen Mann und Frau ist, dass sich das Vatersein an den kurzen Zeugungsvorgang nur durch zeitlich davon getrennte soziale Leistungen anschließt. (…)
Anders als der Mann wird die Frau unwillkürlich schon durch ihren Körper daran erinnert, daß das Sexualleben mit Lasten verbunden ist. Damit mag es zusammenhängen, daß bei der Frau körperliche Begierde (Sexualität) und zärtliche Empfindungsfähigkeit (Erotik) fast immer miteinander verschmolzen sind, während beim Manne, (und zwar gerade beim Homosexuellen), beide Komponenten vielfach getrennt bleiben.
Die kulturelle Aufgabe, Lustgewinn und Bereitschaft zur Verantwortung zu verbinden, wird von „dem männlichen Sexualverhalten extrem häufiger (…) verfehlt“.
Abschließend wurde erklärt, dass
„die männliche (Homo)sexualität unvergleichlich viel stärker als die weibliche in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt, was wesentlich durch das größere weibliche Schamgefühl und die größere Zurückhaltung der Frau in Geschlechtsfragen bedingt sein dürfe.
Die Verschiedenheit des Sozialbildes zeigt sich schließlich darin, daß angesichts des auch bei der Lesbierin vorhandenen Überwiegens zärtlicher Empfindungen über das rein Geschlechtlich zwischen einer lesbischen Beziehung und einer zärtlichen Frauenfreundschaft kaum eine Grenze zu ziehen ist.“
Dieser Argumentationskette folgend kam das Gericht 1957 zu dem Entschluss, dass eine Differenzierung des Gleichheitsrechts im Rahmen der Strafbestimmungen gegen gleichgeschlechtliche Unzucht durchweg geboten sei,
„weil die Eigenart der Frau als weibliches Geschlechtswesen und die Eigenart des Mannes als männliches Geschlechtswesen den Tatbestand so wesentlich und so entscheidend verschieden prägen, daß das vergleichbare Element, die anormale Wendung des Triebes auf das eigene Geschlecht, zurücktritt und lesbische Liebe und männliche Homosexualität im Rechtssinne als nicht vergleichbare Tatbestände erscheinen.“
Mit anderen Worten: Vom Mann geht angeblich eine deutlich aggressivere Sexualität aus, weil Sex für Männer schlichter Lustgewinn ist, für Frauen hingegen einzig und allein dem Schwangerwerden dient, sodass der Mann verantwortungslos ist, auch und erst recht beim Sex.
Dass das Gesetz auf das sich das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung beruft, ein Gesetz aus der Nazi-Zeit ist, war übrigens kein Problem: Man hielt es uneingeschränkt für anwendbar, weil ja auch im alten Testament steht, dass man Schwule bestrafen soll!
Ergo: Die Geschlechter Mann und Frau sind sobald es um Sex geht dann doch nicht vergleichbar, also auch keine Gleichbehandlung und daher auch nicht beim Exhibitionismus.